(1) Soweit dies zur Wahrung der Aussichten auf die Verwirklichung des Restrukturierungsziels erforderlich ist, ordnet das Restrukturierungsgericht auf Antrag des Schuldners an, dass
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Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagt oder einstweilen eingestellt werden (Vollstreckungssperre) und
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Rechte an Gegenständen des beweglichen Vermögens, die im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als Ab- oder Aussonderungsrecht geltend gemacht werden könnten, von dem Gläubiger nicht durchgesetzt werden dürfen und dass solche Gegenstände zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners eingesetzt werden können, soweit sie hierfür von erheblicher Bedeutung sind (Verwertungssperre).
(2) Forderungen, die nach § 4 einer Gestaltung durch einen Restrukturierungsplan unzugänglich sind, bleiben von einer Anordnung nach Absatz 1 und deren vertragsrechtlichen Wirkungen unberührt. Die Anordnung kann sich im Übrigen gegen einzelne, mehrere oder alle Gläubiger richten.
(3) Die Anordnung nach Absatz 1 kann auch das Recht von Gläubigern zur Durchsetzung von Rechten aus gruppeninternen Drittsicherheiten (§ 2 Absatz 4) sperren.
Übersicht
Mit den Regelungen der §§ 49 - 59 im 2. Teil, Kapitel 2, Abschnitt 4 des Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz - StaRUG) setzt der deutsche Gesetzgeber die Vorgaben der Art. 6 und 7 der EU-Richtlinie 2019/1023 (ABl. EU L 172/18 v. 26.6.2019) in nationales Recht um (vgl. auch die Erwägungen unter Nr. 25, 30-41). Die EU Richtlinie 2019/1023 selbst setzt den Rechtlinienvorschlag der Europäischen Kommission vom 22.11.2016, COM (2016)723 um, der in Art. 6 und 7 bereits entsprechende Stabilisierungsmaßnahmen vorsah, um das Vermögen während der Verhandlungen über den Restrukturierungsplan vor Gläubigerzugriffen mittels gerichtlicher Stabilisierungsanordnungen zu schützen. Aus den Begriffsbestimmungen Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 der EU Richtlinie 2019/1023 ergibt sich, dass unter der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen auch die gerichtliche Untersagung einer außergerichtlichen Verwertung von Vermögenswerten des Schuldners gehört.
Zur der Umsetzung der EU Richtlinie in den weiteren EU-Ländern sei auf den rechtsvergleichenden Seitenblick (Auswahl) im Hamburger Kommentar zum Restrukturierungsrecht verwiesen (HmbKommRestR/Undritz/Knof § 49 Rn. 19 ff.).
Bereits aus dem Wortlaut der Norm ergibt sich, dass mit einer Stabilisierungsanordnung die Aussichten auf die Verwirklichung des Restrukturierungsziels gewahrt werden sollen.
Entsprechend wird in der Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung (BT-Drs. 19/24181, S. 154) ausgeführt, dass durch eine temporäre Aussetzung der Vollstreckung in das schuldnerische Vermögen und der Verwertung von Sicherheiten (Stabilisierungsmaßnahmen) die Aussichten auf einen erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen zu einem Restrukturierungskonzept oder über einen Restrukturierungsplan erhalten werden sollen. Es soll daher im Interesse der an der Restrukturierung beteiligten Personen verhindert werden, dass dem Restrukturierungsvorhaben durch Vollstreckungs- und/oder Verwertungshandlungen einzelner Gläubiger die Grundlage entzogen wird (vgl. Desch/Fuhst, Das neue Restrukturierungsrecht, § 4 Rn. 8; HmbKommRestR/Undritz/Knof § 49 Rn. 9). Entsprechend der Regelungen des § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 und 5 InsO bezwecken die möglichen Stabilisierungsanordnungen das schuldnerische Vermögen vor dem Zugriff einzelner Gläubiger jedenfalls vorläufig zu schützen und ein vorzeitiges Auseinanderreißen des Schuldnervermögens zu verhindern (zur InsO: Begr. RegE BT-Drs. 12/2443 S. 116 zur Vollstreckungssperre und BGH ZInsO 2010, S. 714 Rn. 39 mit Hinweis auf Begr. RegE BT-Drs. 16/3227 S. 15 zur Verwertungssperre).
In der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drs. 19/24181, S. 154) wird insoweit davon ausgegangen, dass sich erfolgreiche Maßnahmen der individuellen Rechtsdurchsetzung nachteilig auf die Bereitschaft anderer Gläubiger auswirken, das Restrukturierungsvorhaben durch einen Sanierungsbeitrag zu unterstützen oder gar erst zu ermöglichen.
Andererseits ist spiegelbildlich davon auszugehen, dass durch die temporäre Aussetzung der individuellen Rechtsdurchsetzung auch die Bereitschaft der Gläubiger zur Beteiligung an bzw. der Befassung mit dem Restrukturierungsvorhaben erreicht werden kann. Durch die Stabilisierungsanordnung wird den betroffenen Gläubigern die Ernsthaftigkeit und die Notwendigkeit der Restrukturierung, dem Erfordernis eines Sanierungsbeitrags und das mögliche Schicksal der eigenen Forderungen sowie die Zukunft der Rechtsbeziehung insgesamt im Falle des Scheiterns der Restrukturierung verdeutlicht. Die betroffenen Gläubiger erhalten sozusagen einen Vorgeschmack auf ein sich im Falle des Scheiterns des Sanierungsvorhabens anschließendes Insolvenzverfahren. Insoweit können Stabilisierungsanordnungen nicht nur dem Zusammenhalt des schuldnerischen Unternehmens im Zeitraum der Verhandlungen über einen Restrukturierungsplan dienen, sondern das Restrukturierungsvorhaben aktiv durch die Einbindung der Gläubiger in die weitere Restrukturierungsplanung (z.B. §§ 31 Abs. 2 Nr. 2, 50 Abs. 2 Nr. 1 und 54 Abs. 2) sowie gegebenenfalls erzwungene vorläufige Sanierungsbeiträge (z.B. faktische Stundung durch die Sperrung der Vollstreckungs- und Verwertungsrechte) positiv beeinflussen.
Zudem ist nicht zu unterschätzen, dass allein die Möglichkeit einer Stabilisierungsanordnung ein erhebliches Argument und Druckmittel in den Verhandlungen zur Umsetzung des Restrukturierungsvorhabens darstellen kann. Mit einem gut vorbereiteten Sanierungsvorhaben wird der Schuldner daher die betreffenden, wirtschaftlich verständigen Gläubiger regelmäßig allein argumentativ und ohne den Erlass einer Stabilisierungsanordnung zur Mitwirkung bewegen können. Dies setzt selbstverständlich voraus, dass die Vermögensverhältnisse des Schuldners transparent dargestellt und auch die übrigen betroffenen Gläubiger eingebunden werden. Die Gläubiger sollen die Situation des Schuldners und die Möglichkeiten der Krisenbewältigung nachvollziehen können.
Eine Stabilisierungsanordnung führt jedoch nicht dazu, dass eine bereits fällige Verbindlichkeit gestundet wird. Es wird daher durch die Stabilisierungsanordnung kein »Schutzraum« vor bereits fällige Forderungen geschaffen (HmbKommRestR/Undritz/Knof § 49 Rn. 15 ff.). Für eine Stundung von bereits fälligen Forderungen muss der Schuldner den betreffenden Gläubiger von der Sinnhaftigkeit des Sanierungsvorhabens auf für den Gläubiger überzeugen.
Im Hinblick auf die vertragsrechtlichen Wirkungen einer Stabilisierungsanordnung auf die Vertragsbeendigungs- oder –abänderungsrechte eines Gläubigers gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StaRUG kann jedoch durch eine Stabilisierungsanordnung vorübergehend eine vorzeitige Fälligstellung verhindert werden. Die Stabilisierungsanordnung kann daher verhindern, dass der Schuldner nach Bekanntwerden der Stabilisierungssache umgehend dem Restrukturierungsgericht den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit gemäß §§ 32 Abs. 3 Satz 1 und 42 Abs. 1 Satz 2 SttaRUG anzeigen muss, weil ein Gläubiger (vertragsgemäß) seine Forderungen wegen einer erheblichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Schuldners fällig stellt.
Hierbei ist jedoch auch zu beachten, dass der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht zwangsläufig die Aufhebung der Restrukturierungssache und den Übergang in ein Insolvenzverfahren zur Folge haben muss. Gemäß § 33 Abs. 2 Nr. 1 1. HS StaRUG hebt das Restrukturierungsgericht die Restrukturierungssache nämlich dann nicht auf, wenn die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit Blick auf den erreichten Stand in der Restrukturierungssache offensichtlich nicht im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger liegt. Zudem kann nach § 33 Abs. 2 Nr. 1 2. HS StaRUG von der Aufhebung der Restrukturierungssache auch abgesehen werden, wenn die Zahlungsunfähigkeit aus der Kündigung oder sonstigen Fälligstellung einer Forderung resultiert, die nach dem angezeigten Restrukturierungskonzept einer Gestaltung durch den Plan unterworfen werden soll, sofern die Erreichung des Restrukturierungsziels überwiegend wahrscheinlich ist. Diese Regelungen führen daher dazu, dass über die Wirkungen der Stabilisierungsanordnung hinaus letztlich eine stundungsgleiche Wirkung erzielt, indem der Eintritt der Fälligkeit einer Forderung für den weiteren Verlauf der Restrukturierungssache folgenlos bleibt. Das Obstruktionspotenzial der betreffenden Gläubiger wird durch diese Regelungen erheblich eingeschränkt HmbKommRestR/Undritz/Knof § 49 Rn. 15 ff.).
In dem Zeitraum der Stabilisierung, daher während der Zeit ab Beantragung einer Stabilisierungsanordnung bis zur Planabstimmung gemäß §§ 17 ff. oder 45 ff. bzw. der gerichtlichen Planbestätigung gemäß §§ 60 ff. kann bei den Gläubigern für die Restrukturierung mit den Argumenten geworben werden, dass
Der Grundsatz, dass die Gläubiger nicht schlechter gestellt werden dürfen, findet sich beispielsweise in der Vergleichsrechnung gemäß § 6 Abs. 2, der gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 2 und dem Minderheitenschutz gemäß § 64 im Rahmen der gerichtlichen Planbestätigung wieder. Keinesfalls dürfen die von der Stabilisierungsmaßnahme betroffenen Gläubiger schlechter gestellt werden, als im Insolvenzeröffnungsverfahren (Schutzlevel für Sicherungsnehmer Thole ZIP 2020, S. 1985, 1996).
Die Stabilisierungsanordnung dient daher einerseits dem Schutz des schuldnerischen Unternehmens bis zur Abstimmung über den Restrukturierungsplan (Zusammenhalt - Sicherung des Status quo) und andererseits der Erhöhung der Erfolgsaussichten des Restrukturierungsvorhabens durch aktive Einbindung der Gläubiger. Daneben kommen Stabilisierungsanordnungen auch für die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebsablaufs in Frage, wenn dieser bereits durch Individualrechtsverfolgungen beeinträchtigt wird. Dies wird jedoch im Zustand der lediglich drohenden Zahlungsunfähigkeit eher die Ausnahme sein.
Vor dem Hintergrund, dass gemäß § 29 Abs. 1 die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens dem Schuldner nur in dem Zustand der drohenden Zahlungsunfähigkeit in Sinne des § 18 Abs. 2 InsO zu Verfügung stehen, daher noch keine Insolvenzreife im Sinne der §§ 17 und 19 InsO vorliegt (vgl. §§ 32 Abs. 3 S. 1 und 2, 33 Abs. 2 Nr. 1, dürfte in der Mehrzahl der Restrukturierungsverfahren zum Zeitpunkt der Anzeige der Restrukturierungssache eine Stabilisierungsanordnung noch nicht erforderlich sein. Zum Zeitpunkt der Anzeige der Restrukturierungssache muss die wirtschaftliche Krise daher hinreichend erkennbar sein, darf sich aber noch nicht verwirklicht haben. Abgesehen von besonders gelagerten Einzelfällen (z.B. eine Vollstreckungsunterwerfung) ist es schwer vorstellbar, dass eine Zwangsvollstreckungssperre zu diesem Zeitpunkt bereits erforderlich ist, aber im Übrigen noch keine Insolvenzreife vorliegt. Realistischer erscheint, dass erst nach Anzeige der Restrukturierungssache eine Stabilisierungsanordnung zum Schutz des Restrukturierungsvorhabens erforderlich wird, weil einzelne Gläubiger nach Bekanntwerden der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache ihre Rechte im Wege der individuellen Rechtsverfolgung geltend machen. Allerdings mag die Anordnung einer Stabilisierungsanordnung im Hinblick auf die vertraglichen Wirkungen nach § 55 Abs. 1 Satz 1 (Verhinderung der vorübergehenden Geltendmachung von Vertragsbeendigungs- oder –abänderungsrechte) sinnvoll und gegebenenfalls sogar erforderlich sein, um das Restrukturierungsziel zu verwirklichen. Daher ist insoweit eine präventive Anordnung denkbar.
Damit der Schuldner flexibel auf die jeweilige Situation reagieren kann, hat der Gesetzgeber auf die Vorgaben eines stringenten Verfahrens mit einem formalen Eröffnungsverfahren, in dem die Eröffnungsvoraussetzungen geprüft werden, verzichtet und stattdessen dem Schuldner einen modularen Verfahrensrahmen zur Verfügung gestellt, dessen Elemente er einzeln in Anspruch nehmen kann, sofern er eine Inanspruchnahme für zweckmäßig erachtet (BT-Drs. 19/24181 S. 89).
Zweckmäßig und in den §§ 33 Abs. 2, 51 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 63 Abs. 1 Nr. 1 jedenfalls angelegt, erscheint, dass mit steigender Intensität des Eingriffs in die Rechte der Gläubiger auch die Anforderungen an die Qualität der Darlegung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens (nachhaltige Beseitigung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit gemäß § 29 Abs. 1) steigen müssen (so auch Balthasar NZI Beilage 1/2021, 18; Frind ZInsO 2020, S. 2241, 2243). Entsprechend setzt das Amtsgericht Köln im Hinblick auf den Versagungsgrund des § 63 Abs. 1 Nr. 1 für die gerichtliche Planbestätigung (§§ 60 ff.) voraus, dass das Restrukturierungsgericht sich im Rahmen der Amtsermittlung nach § 39 Abs. 1 S. 1 vollständig von dem Vorliegen der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu überzeugen hat (vgl. AG Köln Beschl. v. 3.3.2021 - 83 RES 1/21, ZIP 2021, 806-809). Das Amtsgericht Hamburg hat hingegen im (ersten) Beschlusses zur gerichtichen Planbestätigung keinen Feststellungen zum Vorliegen der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners getroffen (vgl. AG Hamburg Beschl. v. 12.4.2021 – 61a RES 1/21, BeckRS 2021, 7959). Ob die drohende Zahlungsunfähigkeit in dem dortigen Fall nach der Überzeugung des Gerichts (unstreitig) vorlag und aus diesem Grund keine Ausführungen getroffen wurden, ist jedoch nicht bekannt. In einer weiteren Entscheidung des Amtsgerichts Hamburg, in dem der Schuldner zunächst beantragt hat, dass gegenüber sämtlichen Gläubigern die Zwangsvollstreckung gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 1 untersagt wird, hat das Gericht ausgeführt, dass kein Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass der Schuldner noch nicht drohend zahlungsunfähig im Sinne des § 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ist (vgl. AG Hamburg Beschl. v. 18.1.2022 - 61c RES 1/21, ZRI, 2022, 234, 236). In der vorgelegten Finanzplanung habe der Schuldner schlüssig dargelegt, dass die Zahlungsunfähigkeit i. S. d. § 18 Abs. 1 InsO drohe. Durch eine nachvollziehbare und überprüfbare Darstellung der nachhaltigen Beseitigung einer transparent dargelegten drohenden Zahlungsunfähigkeit mit dem Restrukturierungsplan wird Vertrauen bei den Gläubigern in das Verfahren geschaffen und Missbrauch verhindert.
Der Fachausschuss Sanierung und Insolvenz (FAS) des IDW führt in dem Entwurf zur Neufassung des IDW Standards für die Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen (IDW ES 11 n.F.) vom 8.1.2021 für die Ermittlung der drohenden Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 18 Abs. 2 InsO unter Rn. 94 ff. aus, dass Zahlungsunfähigkeit droht, wenn nach dem Finanzplan absehbar ist, dass die Zahlungsmittel innerhalb eines Zeitraums von regelmäßig 24 Monaten (Prognosezeitraum des § 18 Abs. 2 InsO in aller Regel) zur Erfüllung der fällig werdenden Zahlungsverpflichtungen nicht mehr ausreichen und der Mangel an Liquidität auch nicht durch finanzielle Dispositionen und Kapitalbeschaffungsmaßnahmen ausgeglichen werden kann, aber sich aus diesem Finanzplan nicht bereits die Insolvenzreife (eingetretene Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) ergibt. Der Finanzplan selbst soll inhaltlich der Fortbestehensprognose für die Ermittlung der Überschuldung nach § 19 Abs. 2 InsO entsprechen und in aller Regel auf 24 Monate erweitert werden. Um die Besonderheiten des Schuldners oder seines Geschäftsmodells berücksichtigen zu können, kann der Prognosezeitraum nach § 18 Abs. 2 InsO in Einzelfällen auch länger oder kürzer ausfallen (BT-Drs. 19/24181 S. 196).
Eine Stabilisierungsanordnung setzt zunächst einen entsprechenden Antrag des Schuldners voraus (zu den formalen Anforderungen § 50 Rn. 6). Eine Anordnung von Amts wegen ist nicht möglich (so auch HmbKommRestR/Undritz/Knof § 49 Rn. 30 ff.; Pannen/Riedemann/Smid/Riedemann § 49 Rn. 27; Desch/Fuhst, Das neue Restrukturierungsrecht, § 4 Rn. 2). Das Restrukturierungsgericht ist zudem an den Inhalt des Antrags gebunden und kann nicht über diesen hinausgehen. Der Inhalt, der Adressatenkreis und die Dauer der Anordnung sind gemäß § 50 Abs. 1 von dem Schuldner zu bezeichnen.
Die formelle Antragsberechtigung des Schuldners selbst ergibt sich aus § 30. Hiernach können die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens von jedem insolvenzfähigen Schuldner mit Ausnahme von natürlichen Personen, die nicht unternehmerisch tätig sind, und Unternehmen der Finanzbranche im Sinne des § 1 Abs. 19 KWG, in Anspruch genommen werden.
Nach dem Wortlaut erlässt das Restrukturierungsgericht die begehrte Stabilisierungsanordnung, soweit diese zur Wahrung der Aussichten auf die Verwirklichung des Restrukturierungsziels erforderlich ist. Dieser, dem Gericht vermeintlich zunächst eröffnete weite Beurteilungsspielraum für den Erlass einer Stabilisierungsanordnung wird durch § 51 insoweit eingeschränkt, als dass die beantragte Stabilisierungsanordnung zu erlassen ist ("Die Stabilisierungsanordnung ergeht"), wenn die dort genannten Voraussetzungen vorliegen. Eine gesonderte Erforderlichkeitsprüfung, daher ob die beantragte Stabilisierungsanordnung für sich genommen erforderlich, geeignet und verhältnismäßig im engeren Sinn (angemessen) ist, erfolgt trotz des Wortlauts in § 49 Abs. 1 nicht (a.A. Morgen/Boss/Luttermann StaRUG § 49 Rn. 16 ff.). Ob der unter § 39 Abs. 1 normierte weite Amtsermittlungsgrundsatz vollständig durch die abweichende Regelung in § 51 Abs. 1 ausgehebelt wird, ist allerdings fraglich. Die Möglichkeit der Einschränkung des Amtsermittlungsgrundsatzes wird in § 39 S. 1 ausdrücklich vorbehalten ("soweit in diesem Gesetz nichts Abweichendes bestimmt ist"). Das Amtsgericht Köln hat allerdings bereits eine entsprechende Einschränkung für die gerichtliche Planbestätigung nach den §§ 60 Abs. 1 S. 1 verneint ("bestätigt das Gericht"). Die zu § 51 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 vergleichbare (Ausschluss-) Regelung des § 63 Abs. 1 Nr. 1 setzt nach Auffassung des Amtsgerichts Köln die positive Feststellung der drohenden Zahlungsunfähigkeit nach vollständiger richterlicher Überzeugung, die im Rahmen der Amtsermittlung nach § 39 Abs. 1 S. 1 zu bilden ist, voraus, vgl. AG Köln Beschl. v. 3.3.2021 - 83 RES 1/21, ZIP 2021, 806-809. Dem Amtsgericht Köln ist jedenfalls insoweit zuzustimmen, als dass sich das Gericht im Rahmen der Amtsermittlung vor wesentlichen Entscheidungen von dem Vorliegen der generellen Zugangsvoraussetzungen zum StaRUG überzeugen muss.
Insbesondere durch die Regelung des § 51 Abs. 1 Nr. 4 wird deutlich, dass die Prüfung, ob die beantragte Stabilisierungsanordnung für die Wahrung der Aussichten auf die Verwirklichung des Restrukturierungsziels erforderlich ist, im Rahmen des eingeschränkten Prüfungsumfangs nach § 51 zu erfolgen hat. Aus der dortigen Formulierung folgt, dass das Restrukturierungsgericht bei Vorliegen einer vollständigen und schlüssigen Restrukturierungsplanung die begehrte Anordnung zu erlassen hat, soweit diese nach den bekannten Umständen für die Verwirklichung des Restrukturierungsziels erforderlich ist (§ 51 Abs. 1 S. 1 Nr. 4) und keine der unter Nrn. 1–3 aufgeführten Umstände bekannt sind (vgl. § 51 Rn. 18 ff.).
Dass die Anordnung für die Verwirklichung des Restrukturierungsziels erforderlich ist, sollte daher stets ausdrücklich dargelegt und erläutert werden (vgl. § 51 Rn. 38).
Soweit die Voraussetzungen des § 51 vorliegen, ist die Stabilisierungsanordnung in dem gemäß § 50 Abs. 1 beantragten Umfang in Bezug auf den Anordnungsinhalt, den betroffenen Adressantenkreis und die Dauer der Anordnung zu erlassen. Eine Erweiterung des Umfangs der Anordnung durch das Restrukturierungsgericht von Amts wegen ist unzulässig. Denkbar ist jedoch ein Zurückbleiben hinter dem Antrag in Bezug auf den Inhalt der Anordnung, die betroffenen Gläubiger (Adressatenkreis) oder die Dauer der Anordnung. Beispielsweise kann das Restrukturierungsgericht statt der begehrten Anordnungsdauer von 3 Monaten zunächst die Stabilisierungsmaßnahme nur für 6 Wochen erlassen. Aus den §§ 52, 53 Abs. 1 ergibt sich insoweit, dass in der Anordnung stets die Dauer der Stabilisierungsmaßnahme anzugeben ist. Anders als im Insolvenzverfahren werden dem Gläubiger daher unter dem StaRUG nicht auf unbestimmte Zeit seine Rechte entzogen bzw. beschränkt. Die Stabilisierungsmaßnahme hindert daher nur für die Dauer der Anordnung den Gläubiger an der Durchsetzung seiner sich aus einem vollstreckbaren Anspruch oder Vertrag ergebenden Rechte gegenüber dem Schuldner. Das Amtsgericht Hamburg hat beispielsweise wegen Mängel in der Restrukturierungsplanung bezüglich der Begründung der Auswahlentscheidung der Planbetroffenen nach § 8 S. 1 die begehrte Stabilisierungsanordnung zunächst nicht für den beantragten Zeitraum erlassen, sondern vorläufig auf einen Zeitraum von 20 Tagen beschränkt (AG Hamburg ZRI 2022, 234). Die Stabilisierungsanordnung wurde nach Vorlage eines entsprechend den gerichtlichen Hinweisen angepassten Restrukturierungsplans auf den beantragten Zeitraum verlängert.
Die Stabilisierungsanordnung ist eine Eilmaßnahme, die inhaltlich und funktional mit der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen gemäß § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 und 5 InsO im vorläufigen Insolvenzverfahren bzw. vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren vergleichbar ist (BT-Drs. 19/24181, S. 154). Insoweit wird auf eine vorherige Anhörung des betroffenen Gläubigers ausdrücklich verzichtet (BT-Drs.19/24181, S. 154., vgl. auch BGH ZInsO 2010, S. 136 Rn. 19 zur InsO). Der betroffene Gläubiger kann gemäß § 59 Abs. 2 einen Antrag auf Aufhebung der Stabilisierungsanordnung stellen.
Die vertragsrechtlichen Wirkungen der Stabilisierungsanordnung (Verwertungssperre) auf die Rechtsbeziehung zwischen dem Schuldner und dem betroffenen Gläubiger sind in § 55 geregelt. Im Übrigen kann die Vertragsbeziehung zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger nur einvernehmlich gestaltet werden. Der Gesetzgeber hat sich gegen die Einführung der zunächst unter §§ 51-55 StaRUG-E unter dem Abschnitt 4 Vertragsbeendigung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BT-Drs. 19/24181, S. 149 ff.) vorgesehenen Möglichkeit einer Vertragsanpassung entschieden. Ein einseitiger Eingriff in die Vertragsgestaltung ist daher weiterhin nur gemäß §§ 103 ff. InsO im Rahmen eines Insolvenzverfahrens möglich.
Das erste Stabilisierungsinstrument ist die gerichtliche Untersagung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner bzw. in das Vermögen des Schuldners. Dies betrifft sowohl die Einstellung bereits begonnener als auch die Untersagung der Einleitung von neuen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen.
Die Vollstreckungssperre nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 entspricht grundsätzlich der Regelung des § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 InsO, mit der Besonderheit, dass das unbewegliche Vermögen des Schuldners nicht ausgenommen ist (Begr. RegE BT-Drs. 12/2443 S. 177).
Bezüglich des unbeweglichen Vermögens ist in § 30g Satz 1 ZVG insoweit eigens für den Vollzug der Vollstreckungssperre bei Stabilisierungsmaßnahmen geregelt, dass das zuständige Vollstreckungsgericht auf Antrag des Schuldners ein etwaiges dort anhängiges Verfahren einstweilen einstellt, soweit das Restrukturierungsgericht eine Vollstreckungssperre nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 angeordnet hat (zweistufiges Verfahren). Das zuständige Vollstreckungsgericht hat jedoch den Antrag des Schuldners abzulehnen, soweit dem betreibenden Gläubiger die Einstellung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zuzumuten ist. Gemäß § 30g Abs. 2 Satz 1 ZVG hat das Vollstreckungsgericht im Falle der einstweiligen Einstellung anzuordnen, dass dem betreibenden Gläubiger die geschuldeten Zinsen zu zahlen sind und ein durch die Nutzung entstehender Wertverlust durch Zahlungen auszugleichen ist. Diese Erstattungspflicht wird gemäß § 30g Abs. 2 S. 2 ZVG nicht angeordnet, soweit nach der Höhe der Forderung sowie dem Wert und der sonstigen Belastung des Grundstücks nicht mit einer Befriedigung des Gläubigers aus dem Versteigerungserlös zu rechnen ist. Abgesehen von dem Umstand, dass im Insolvenzverfahren gemäß §§ 30d bis f ZVG die Einstellung der Zwangsversteigerung und das Zwangsverwaltungsverfahren analog (HK/Laroche § 21 Rn. 39; Jaeger/Gerhardt § 21 Rn. 43; Uhlenbruck/Vallender § 21 Rn. 32; NR/Mönning § 21 Rn. 206; a.A. FK/Schmerbach § 21 Rn. 300) insgesamt beim zuständigen Vollstreckungsgericht zu beantragen ist, entsprechen sich die Regelungen. Die Entschädigungsregelung entspricht der Regelung des § 54 Abs. 1.
Die Vollstreckungssperre erfasst im Übrigen sämtliche Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner, wie die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen (§§ 802a ff., 803 ff. 864 ff. ZPO), der Herausgabe und Räumung (§§ 883 ff. ZPO), die Erwirkung von Handlungen und Unterlassungen (§§ 887 ff. ZPO) und die Vollziehung von Arresten und einstweiligen Verfügungen (§§ 928, 936 ZPO).
Alle in Betracht kommende Vollstreckungsorgane haben das Vollstreckungsverbot von Amts wegen zu beachten. Soweit die Vollstreckungsorgane Kenntnis von dem Vollstreckungsverbot haben, führt dies dazu, dass von dem Vollstreckungsverbot erfasste neu eingehende Vollstreckungsanträge nicht weiterbearbeitet und bereits eingeleitete Vollstreckungsmaßnahmen nicht fortgeführt werden dürfen, jedoch keinesfalls aufzuheben sind (vgl. §§ 775 Nr. 1 und 2, 776 S. 2 ZPO).
Mit der Neueinführung des § 204 Abs. 1 Nr. 10a BGB wird zum Schutz eines von der Vollstreckungssperre betroffenen Gläubigers für die Dauer der Verwertungssperre die Verjährung gehemmt.
Vollstreckt ein Gläubiger trotz des Vollstreckungsverbotes entsteht zwar wegen des Verstoßes gegen § 775 Nr. 2 ZPO kein Pfändungspfandrecht, wohl aber die öffentlich-rechtliche Verstrickung (MüKo-InsO/Haarmeyer § 21 Rn. 75). Der Schuldner kann mit der Erinnerung nach § 766 ZPO die Aufhebung der unzulässigen Maßnahme erreichen.
Wie im Insolvenzverfahren können von der Vollstreckungssperre auch Vollstreckungsmaßnahmen von ab- oder aussonderungsberechtigten Gläubigern erfasst werden (für das Insolvenzverfahren ausdrücklich Begr. RegE BT-Drs. 12/2443 S. 116; BGH ZInsO 2001, S. 165, 167; vgl. zu Absonderungsrechten: HK/Laroche § 21 Rn. 32; Uhlenbruck/Vallender § 21 Rn. 28; MüKo/Haarmeyer/Schildt § 21 Rn. 72; Jaeger/Gerhardt § 21 Rn. 53; vgl. zu Aussonderungsrechten: OLG Bamberg, ZInsO 2015, S. 1338, 1341; Uhlenbruck/Vallender § 21 Rn. 28; MüKo/Haarmeyer/Schildt § 21 Rn. 72; K. Schmidt/Hölzle § 21 Rn. 71; FK/Schmerbach § 21 Rn. 295; a.A. AG Mainz, ZInsO 2001, S. 574; Jaeger/Gerhardt § 21 Rn. 54).
Nicht von der Vollstreckungssperre erfasst sind bloße Vorbereitungsmaßnahmen für die Zwangsvollstreckung. So wird beispielsweise die Erteilung einer Vollstreckungsklausel als die Zwangsvollstreckung lediglich vorbereitende Maßnahme nicht von dem Vollstreckungsverbot erfasst (BGH ZInsO 2008, S. 158).
Keinen Einfluss hat die Vollstreckungssperre zudem auf bereits abgeschlossene Vollstreckungsmaßnahmen. Diese darf das Gericht nicht wieder aufheben. Ein rechtmäßig entstandenes Pfändungspfandrecht an einem Gegenstand des Schuldners bleibt daher bestehen. Soweit der Gegenstand für die Fortführung des Unternehmens des Schuldners von erheblicher Bedeutung ist, kommt jedoch eine Verwertungssperre für die weitere Einsetzung des Gegenstands in Betracht.
Keine Auswirkungen hat die Vollstreckungssperre auf einen anhängigen Prozess oder die gerichtliche Geltendmachung (Thole, ZIP 2020, S. 1985, 1995). Soweit die Sache selbst im Wesentlichen unstreitig ist und keine Verjährung oder sonstige Nachteile für den betreffenden Gläubiger drohen, sollte dieser in dem Zeitraum der Stabilisierung bzw. der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache (§ 31 Abs. 4) von einer gerichtlichen Geltendmachung allerdings absehen bzw. sich mit dem Schuldner auf ein Ruhenlassen des Verfahrens (§ 251 ZPO) verständigen. Hierdurch können einerseits unnötige Kosten der Rechtsverfolgung vermieden werden und andererseits können sich der Gläubiger und der Schuldner im Rahmen der Verhandlung über den Restrukturierungsplan mit der Lösung des Problems befassen.
Verfolgt ein Gläubiger seine Forderung nach § 11 des AnfG gegen den Dritten entfällt durch die Vollstreckungssperre das Erfordernis nach § 2 AnfG der fruchtlosen Verdeckung beim Schuldner. Im Übrigen hat die Vollstreckungssperre keine Auswirkungen auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem Anfechtungsgegner (Thole ZIP 2020, S. 1985, 1996).
Neben der Vollstreckungssperre ist die Verwertungssperre bezüglich der beweglichen Gegenstände des Schuldners, an denen im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens Aus- und Absonderungsrechte geltend gemacht werden können, das zweite Stabilisierungsinstrument (Sanierungswerkzeug) des StaRUGs.
Die Verwertungssperre entspricht in Teilen der Regelung des § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 HS 1 InsO für das vorläufige Insolvenzverfahren, geht jedoch mit der Möglichkeit der Einsetzungsbefugnis der mit Ab- oder Aussonderungsrechten belasteten Gegenstände zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners über diese Regelung hinaus. Anders als die insolvenzrechtliche Verwertungssperre können von § 49 Abs. 1 Nr. 2 zudem auch mit Ab- oder Aussonderungsrechten belastete Gegenständen des beweglichen Vermögens des Schuldners erfasst werden, die nicht im Falle der Eröffnung des Verfahrens von § 166 InsO erfasst oder ausgesondert werden könnten. Die Verwertungssperre nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 erfasst daher sämtliche bewegliche Gegenstände des schuldnerischen Vermögens im Sinne der §§ 47, 50, 51 InsO, mithin auch Gegenstände, an denen ein Gläubiger ein Pfändungspfandrecht begründet hat.
Entsprechend den Regelungen des § 166 Abs. 3 InsO bleiben Finanzsicherheiten, Zahlungs- und Abwicklungssysteme und Liquidationsnetting gemäß § 56 von der Stabilisierungsanordnung unberührt.
Dem Gläubiger wird mit der Verwertungssperre die Geltendmachung seiner Rechte an Gegenständen des Schuldnervermögens, die mit Ab- oder Aussonderungsrechten zu seinen Gunsten belastet sind, gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 untersagt. Dem Schuldner wird spiegelbildlich die weitere Einsetzung der betreffenden Gegenstände, in der vertraglich zulässigen Art und Weise für den Zeitraum der Stabilisierungsanordnung per gerichtlicher Anordnung ermöglicht.
Aus den §§ 49 Abs. 2 S. 2, 50 Abs. 1 ergibt sich, dass die Anordnung hinreichend bestimmt und nicht pauschal ergehen darf. Insoweit hat der Bundesgerichtshof zu § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 HS 1 InsO entschieden, dass formularmäßig erlassene Pauschalanordnungen (Verwertungsverbot bzw. Einziehungsbefugnis) unwirksam sind und grundsätzlich einer Individualisierung bedürfen (BGH, ZInsO 2010, S. 136, Rn. 19 f.). Insoweit wird klargestellt, dass aus Gründen der Rechtsklarheit und des gebotenen Schutzes der betroffenen Gläubiger für diese aus der gerichtlichen Anordnung selbst klar zu erkennen sein muss, welche sie betreffenden Beschränkungen angeordnet wurden (vgl. BGHZ 151, S. 353, 367). Das Erfordernis der Individualisierung gilt in Restrukturierungssachen nach dem StaRUG umso mehr, als dass es sich bei diesem Verfahren im Gegensatz zu dem Insolvenzverfahren gerade nicht um ein Gesamtverfahren handelt und insoweit nicht alle Gläubiger im gleichen Umfang betreffen soll (BT-Drs. 19/24181, S. 89). Die Anordnung muss daher individualisiert für bestimmte Gläubiger und Gegenstände ergehen, wobei bestimmte Arten von Gläubigern und Gegenständen ggf. zusammenfassend bezeichnet werden können (so auch BGH, ZInsO 2010, S. 136, Rn. 19). Dies ergibt sich ebenfalls aus den §§ 49 Abs. 2 S. 2, 50 Abs. 1. Sind beispielsweise die Forderungen des Schuldners mittels einer Globalzession zur Sicherheit abgetreten, kann sich die Anordnung unter Benennung der Globalzession auf sämtliche abgetretenen Forderungen erstrecken (zu InsO: AG Hamburg, ZInsO 2011, S. 2045, 2046). Zudem kann dem Schuldner auch die Einsetzungsbefugnis von Warenlieferungen übertragen werden, die für den Weiterverkauf oder die Verarbeitung unter verlängertem Eigentumsvorbehalt geliefert wurden. Das Gericht hat in diesem Fall die Waren und das Sicherungsrecht so in der Anordnung zu beschreiben, dass der Gläubiger klar erkennen kann, dass er derzeit die Herausgabe der Ware nicht verlangen kann.
Aus dem Wortlaut ergibt sich weiter, dass die von der Anordnung erfassten Gegenstände für die Fortführung des Unternehmens des Schuldners von erheblicher Bedeutung sein müssen. Wie für eine Anordnung nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 InsO im vorläufigen Insolvenz- oder Eigenverwaltungsverfahren, muss das Restrukturierungsgericht daher überprüfen, welche Aus- und Absonderungsgüter für die Betriebsfortführung von erheblicher Bedeutung sind (BGH, ZInsO 2010, S. 136, Rn. 19). Hierbei ist ein Gegenstand für die Fortführung des Unternehmens des Schuldners von erheblicher Bedeutung, wenn der Betriebsablauf ohne die Nutzungsmöglichkeit der betreffenden Sache nicht nur geringfügig gestört werden würde (HmbKommInsR/Schröder § 21 Rn. 82). An die erhebliche Bedeutung sind im Sanierungsinteresse nicht zu hohe Anforderungen zu stellen. Beispielsweise stellt die Ersatzbeschaffung von Gegenständen, die für die Fortführung des Unternehmens des Schuldners benötigt werden, regelmäßig eine nicht nur geringfügige Störung des Geschäftsablaufs dar.
In dem Stabilisierungsantrag hat der Schuldner die Bedeutung des Gegenstands für die weitere Betriebsfortführung zur Prüfung durch das Restrukturierungsgericht darzulegen. Hierbei sollte auch realistisch das Szenario der Nichteinsetzung des Gegenstands beschrieben werden, um die Notwendigkeit für die Betriebsfortführung zu verdeutlichen. Die Dauer der Ersatzbeschaffung eines Gegenstands kann z.B. mittels Anfrage bei einem potentiellen Ersatzlieferanten dargetan werden.
Soweit die von der Anordnung betroffenen Gegenstände nachweislich für die Betriebsfortführung von erheblicher Bedeutung sind, diese im Rahmen der vertragsgemäßen Überlassung eingesetzt werden und die betroffenen Gläubiger eine Entschädigung erhalten, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken bezüglich eines temporären Eingriffs in die Rechte der betroffenen Gläubiger (zur InsO BVerfG, ZInsO 2012, S. 1220, Rn. 19 f.; BGH, ZInsO 2010, S. 136, Rn. 43). Der Ausgleich der temporären Nachteile für die betroffenen Gläubiger ist in § 54 geregelt.
Durch die Beschränkung im Wortlaut auf Gegenstände, die im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als Ab- oder Aussonderungsrechte geltend gemacht werden können und die für die Fortführung des Unternehmens des Schuldners von erheblicher Bedeutung sind, ergibt sich, dass von der Anordnung nur Vermögenswerte erfasst sein können, die sich im Verfügungsbereich des Schuldners befinden. Die Vermögenswerte müssen daher dem schuldnerischen Vermögen zuzuordnen sein (vgl. zur InsO: BGH ZInsO 2006, S. 1320, Rn. 7 f.). Für Gegenstände des beweglichen Vermögens darf der Gläubiger daher noch nicht den alleinigen Besitz rechtmäßig erlangt haben. Gegenstände, die bereits dem Gläubiger zurückgegeben wurden, können daher nicht mehr von der Anordnung erfasst werden. Werden Gegenstände nach Erlass der Anordnung im Wege verbotener Eigenmacht in Besitz genommen, kann der Schuldner die Herausgabe im Wege einstweiliger Verfügung geltend machen (zur InsO: LG Leipzig, ZInsO 2006, S. 1003).
Entsprechend der Regelung des § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 InsO kann eine Verwertungssperre zur weiteren Nutzung von betriebsnotwendigen Gegenständen angeordnet werden. Diese hat sich in der vorläufigen Insolvenzverwaltung als wirksame Maßnahme zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des schuldnerischen Betriebs etabliert. (vgl. BGH, ZInsO 2010, S. 136, Rn. 44; Ganter, NZI 2007, S. 549, 550, 552). Hierdurch ist der Schuldner entsprechend einem vorläufigen Insolvenzverwalter nicht zur Herausgebe eines mit Aus- und/oder Absonderungsrechten belasteten Gegenstands verpflichtet, wenn die Nutzung dieses Gegenstands für die Betriebsfortführung von erheblicher Bedeutung ist.
Obwohl eine Stabilisierungsanordnung keine gestaltende Wirkung auf die Vertragsbeziehungen zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern hat, hindert sie über die Regelung des § 55 Abs. 1 Satz 1 für den Zeitraum der Anordnung den Gläubiger an der Geltendmachung von Vertragsbeendigungs- oder –abänderungsrechten. Die Ausübung eines vertraglich vereinbarten Rechts zum Widerruf einer Einziehungs-, Veräußerungs-, oder Verarbeitungsermächtigungen stellt insoweit eine Vertragsabänderung im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 1 dar (HmbKommRestR/Undritz/Knof § 49 Rn. 52). Im Übrigen ist eine Vertragsanpassung jedoch mit den betreffenden Gläubiger zu verhandeln. Eine Vertragsgestaltung gegen den Willen des Gläubigers ist nicht möglich.
Um einen Gegenstand, der für die Fortführung des Unternehmens des Schuldners von erheblicher Bedeutung ist, trotz bereits erfolgter Kündigung und zivilrechtlich bestehenden Herausgabeansprüchen (vgl. BGH ZInsO 2001, S. 165, 167) weiternutzen zu können, kann das Restrukturierungsgericht anordnen, dass dieser Gegenstand dennoch für die vorläufige Fortführung des Unternehmens des Schuldners eingesetzt werden darf. Die Anordnung der Nutzungsbefugnis hat keine vertragsgestaltende Wirkung. Die Anordnung bildet insoweit ein selbständiges Nutzungsrecht z.B. bezüglich geleaster oder gemieteter Fahrzeuge, Maschinen oder anderer Gegenstände des Anlagevermögens (zu § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 InsO a.F. Ganter ZIP 2015, S. 1767, 1769 ff.; Bork NZI 2012, S. 590 ff). Das vertragliche Nutzungsverhältnis wird durch die gerichtlich angeordnete Nutzungsbefugnis in ein besonderes, hoheitlich begründetes, privatrechtliches Nutzungsverhältnis zwischen dem Schuldner und dem betreffenden Gläubiger nicht umgestaltet, sondern lediglich für die Zeit der Anordnung überlagert (zur InsO BGH, ZInsO 2012, S. 1421, Rn. 22).
Die Erhebliche Bedeutung des Gegenstands für die Fortführung des Unternehmens ist in dem Antrag darzulegen und gerichtlich zu überprüfen, vgl. § 50 Abs. 1 (zur InsO: BGH, ZInsO 2010, S. 136, Rn. 20).
Durch die Formulierung in § 49 Abs. 1 Nr. 2 "zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners eingesetzt werden" und die unter § 54 Abs. 2 geregelten Folgen des Forderungseinzugs sowie der Veräußerung oder Verarbeitung beweglicher Sachen nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarungen wird deutlich, dass der Schuldner nicht nur zur Nutzung, sondern durch die Anordnung auch zur vertragsgemäßen Verwendung der Sache ermächtigt werden kann.
Die Möglichkeit der gerichtlichen Einsetzungsbefugnis von Gegenständen, die mit Absonderungsrechten belastet sind, für die Fortführung des Unternehmens trotz eines vom Gläubiger ausgesprochenen Verwertungs- oder Verarbeitungsverbots geht über die in § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 InsO normierte Einziehungsbefugnis hinaus. Im vorläufigen Insolvenzverfahren ist die gerichtliche Ermächtigung zum Verbrauch, zur Verarbeitung oder zur Veräußerung einer unter verlängertem Eigentumsvorbehalt gelieferten Ware nicht möglich (BGH ZInsO 2019, S. 563, Rn. 34). Der Schuldner (oder der starke vorläufige Insolvenzverwalter) muss hier mit dem absonderungsberechtigten Gläubiger die weitere Verarbeitung, den Verbrauch oder die Veräußerung der betreffenden Gegenstände verhandeln (BT-Drs. 16/3227, S. 16). Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ist eine Erstreckung des Einziehungsrechts bezüglich zur Sicherung eines Anspruchs abgetretene Forderung auf die Einsetzung von unter verlängerten Eigentumsvorbehalt gelieferter Waren für den Geschäftsbetrieb (Verbrauch, Verarbeitung oder Veräußerung) mittels analoger oder erweiternder Auslegung nicht zulässig (BGH ZInsO 2019, S. 563, Rn. 34). Die Vorschrift regelt nur die Nutzung fremden Eigentums und die Einziehung abgetretener Forderungen, nicht aber die Verarbeitung oder Veräußerung unter verlängerten Eigentum gelieferter Waren.
Insoweit ergibt sich aus der Formulierung "eingesetzt werden" in § 49 Abs. 1 Nr. 2 und den unter § 54 Abs. 2 geregelten Folgen der Veräußerung oder Verarbeitung derartiger Gegenstände, dass das Restrukturierungsgericht vorübergehend für den Schuldner eine Verwertungsbefugnis anordnen kann. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen bezüglich der durch das StaRUG erweiterten Einziehungs- und Verwertungsbefugnis nicht. Insoweit kann inhaltlich auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts mit Urteil vom 22.3.2012 verwiesen werden (BVerfG ZInsO 2012, S. 1220, Rn. 19 ff.).
Ob zur Sicherheit abgetretene Forderungen von dem Schuldner eingezogen oder Gegenstände von dem Schuldner verarbeitet oder veräußert werden dürfen, bestimmt sich grundsätzlich nach den Regeln des allgemeinen Zivilrechts und daher nach den jeweiligen Vertragsbedingungen. Diese Regelungen gelten auch nach Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache und der Anordnung von Stabilisierungsmaßnahmen nach dem StaRUG fort, jedenfalls bis zu einem etwaigen Widerruf (Zur InsO: BGH ZInsO 2019, S. 563, Rn. 28f.).
Da der Widerruf der Einziehungs-, Verarbeitungs- oder Veräußerungsermächtigung und die Offenlegung der Sicherungsabtretung regelmäßig die weitere Betriebsfortführung erheblich erschwert und hierdurch auch die Sanierungschancen empfindlich beeinträchtigen würden, kann das Restrukturierungsgericht auf Antrag die Einziehungs-, Verarbeitungs- oder Veräußerungsbefugnis durch den Schuldner anordnen, soweit es sich um Gegenständen des beweglichen Vermögens handelt, die im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als Ab- oder Aussonderungsrecht geltend gemacht werden könnten. Hierdurch können in der Zeit bis zur Entscheidung über den Restrukturierungsplan zur Sicherung abgetretene (nicht echtes Factoring) Forderungen oder unter verlängertem (nicht einfachen) Eigentumsvorbehalt gelieferte Gegenstände weiterhin von dem Schuldner eingezogen bzw. verarbeitet oder veräußert werden (vgl. aber Herausgabe bzw. Separierungspflicht § 54 Abs. 2 Rn. 13 ff.). Im Interesse des Erhalts der Sanierungschancen kann so verhindert werden, dass Sicherungsgläubiger durch Widerruf der vertraglichen Einziehung die Sanierungsbemühungen des Schuldners im Keim ersticken. Die Wirksamkeit des Widerrufs selbst kann die Verwertungssperre jedoch nicht verhindern (Thole, ZIP 2020, S. 1985, 1996).
Entsprechend der Regelung des § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 InsO umfasst die Ermächtigung jedoch nicht das Recht zur Verarbeitung, Veräußerung und Verbrauch schuldnerfremder Sachen über den jeweiligen Vertragsbedingungen hinaus (zur InsO: BT-Drs. 16/3227, S. 16; BGH ZInsO 2019, S. 563, Rn. 33; Thole, ZIP 2019, S. 552). Derartige Anordnungen sind auch unter den Regelungen des StaRUGs nicht möglich.
Die Rechte der betreffenden Gläubiger und die Pflichten des Schuldners im Falle der Nutzung der Stabilisierungsanordnung sind in § 54 geregelt. Entsprechend der Rechtsprechung zu § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 InsO ist dort in Abs. 2 geregelt, dass der Schuldner die erzielten Erlöse an den Berechtigten auszukehren oder unterscheidbar zu verwahren hat, es sei denn, er trifft mit dem Berechtigen eine anderweitige Vereinbarung (zur InsO: BGH ZInsO 2019, S. 563, Rn. 39 ff.; Smid, ZInsO 2019, S. 2554; Thole, ZIP 2019, S. 552). Die Stabilisierungsanordnung berechtigt den Schuldner daher nicht ohne eine Vereinbarung mit dem jeweiligen Sicherungsgläubiger die Erlöse im Rahmen der Betriebsfortführung einzusetzen (zur InsO: BGH, ZInsO 2010, S. 714, Rn. 28; zur Vereinbarung Ganter, FS Wellensiek, S. 399, 400, 404: »Liquiditätsvereinbarung«; Ganter zum Ganzen NZI 2010, S. 551 ff.; Johlke/Jensen, FS Wellensiek, S. 563 ff. und Flöther/Wehner, NZI 2010, S. 554 ff.). Im Übrigen wirkt sich eine Stabilisierungsanordnung über § 55 Abs. 1 Satz 1 auf die Geltendmachung von Vertragsbeendigungs- oder –abänderungsrechten aus.
Um die Erlöse im Interesse der Erhaltung des Geschäftsbetriebs auch einsetzen zu können, bedarf es daher einer Vereinbarung mit dem berechtigten Gläubiger, vgl. § 54 Abs. 2 Rn. 15.
Anders als in dem neugefassten §§ 270c Abs. 3 InsO (vorläufige Eigenverwaltung) kann das Restrukturierungsgericht keine weiteren Maßnahmen zur Stabilisierung des Unternehmens des Schuldners treffen. Die Stabilisierungsmaßnahmen sind insoweit abschließend in § 49 Abs. 1 aufgezählt. Das Gericht kann lediglich in den Grenzen des Antrags über die Stabilisierungsmaßnahme entscheiden.
Insoweit hat der Gesetzgeber auch nicht von der nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der EU Richtlinie 2019/1023 (ABl. EU L 172/18 v. 26.6.2019) Möglichkeit der Erleichterung von Abänderungen und Beendigungen von Vertragsverhältnissen (Erwägungsgrund 2 S. 2 und 3) Gebrauch gemacht und sich gegen die zunächst vorgesehene Einführung einer Vertragsbeendigung unter den §§ 51-55 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BT-Drs. 19/24181, S. 149 ff.) entschieden.
Allein die Möglichkeit einer Vertragsanpassung mit einem Plan hätte auch in dem Zeitraum bis zur Planabstimmung stabilisierende Wirkung, da sich diese beispielsweise erheblich auf die künftige Liquiditätsplanung auswirken kann.
Unter dem Hinweis auf die Möglichkeiten der Vertragsgestaltung unter dem englischen company voluntary arrangement und dem scheme of arrangement (vgl. Übersicht zu den englischen Verfahren in Streeck/ Die Situation der Schuldnerin im englischen und deutschen Insolvenzrecht S. 13; zu den Vertragsverhältnissen S. 166 ff.) sowie dem Umstand, dass in der Vergangenheit diese Verfahren auch von deutschen Unternehmen gerade deshalb in Anspruch genommen wurden, um im Rahmen der angestrebten Sanierung die bestehenden Verträge an die Sanierungssituation anpassen zu können, wurde im Gesetzentwurf der Bundesregierung noch für die Einführung einer Vertragsbeendigungsmöglichkeit unter dem StaRUG geworben (BT-Drs. 19/24181, S. 149 ff.).
Im deutschen Schrifttum wird die Einführung von vertragsbezogenen Maßnahmen in einem präventiven Restrukturierungsrahmen hingegen ganz überwiegend abgelehnt (Gravenbrucher Kreis ZInsO 2020, S. 260, 261; Fritz/Scholtis, BB 2019, S. 2051, 2056; Hoffmann, NZI Beilage 2019, S. 22, 25; Thole, ZIP 2017, S. 101, 108; Vallender, Festschrift Wimmer, 2017, S. 537, 553).
Ob nach der Evaluierung des StaRUGs doch noch eine Vertragsbeendigungsmöglichkeit eingeführt wird, bleibt abzuwarten. Die Evaluation soll sich auf den Zeitraum bis zum 31.7.2024 beziehen, damit deren Ergebnisse in die nach Artikel 33 der Richtlinie seitens der Europäischen Kommission zum 17.7.2026 vorzulegende Evaluation der Richtlinie einfließen können.
Von der Stabilisierungsanordnung unberührt bleiben generell die in § 4 aufgeführten Rechtsverhältnisse (Forderungen und Absonderungsanwartschaften). Die Reichweite der Stabilisierungsinstrumente wird daher auf die der Restrukturierung generell zugänglichen Rechtsverhältnisse beschränkt (Gleichlauf der Restrukturierungs- und Stabilisierungswerkzeuge). Hierdurch soll sichergestellt werden, dass die von der Restrukturierung ausgenommenen Rechtsverhältnisse (insbesondere Arbeitnehmerverhältnisse und nicht unternehmerische Rechtsverhältnisse des Schuldners) auch nicht indirekt durch die Stabilisierungsmaßnahmen zu zeitlich beschränkten Gläubigerbeiträgen gezwungen werden können (BT-Drs. 19/24181, S. 154).
Satz 2 stellt klar, dass sich die Stabilisierungsanordnungen gegen einzelne, mehrere (Gruppe) oder alle von dem Sanierungsvorhaben betroffenen Gläubiger richten kann. Aus § 49 Abs. 2 S. 1 ergibt sich allerdings, dass sich die Anordnung nur gegen die Gläubiger des Schuldners richten kann, die gemäß § 4 von den Regelungen des StaRUGs erfasst werden. Nicht erfasst werden daher stets die in § 4 ausgenommenen Gläubiger (BT-Drs. 19/24181, S. 154).
Die Stabilisierungsanordnung kann sich insbesondere gegen Akkordstörer (Thole ZIP 2020, S.1985, 1988; Riggert/Saegon NZI-Beilage 1/2021, S. 1, 5; Riggert NZI-Beilage 1/2021, S. 40, 42; Proske/Streit NZI 2020, S. 969, 973; DAV Stellungnahme Nr. 81/2020, S. 5) und Finanzkreditgeber (Riggert/Saegon NZI-Beilage 1/2021, S. 40, 43) richten, die sich einer nachhaltigen Beseitigung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners verweigern. Die von der Stabilisierungsanordnung betroffenen Gläubiger werden regelmäßig auch von dem Restrukturierungsplan betroffenen sein. Andererseits wird nur in Ausnahmefällen jeder von dem Restrukturierungsplan betroffene Gläubiger auch Adressat der Stabilisierungmaßnahme sein.
Durch die Möglichkeit die Anordnung auch gegenüber allen von den Regelungen des StaRUGs erfassten Gläubigern zu erlassen, wird die Regelung des Art. 5 Abs. 3 der EU Richtlinie 2019/1023 (ABl. EU L 172/18 v. 26.6.2019) in Bezug auf die Aussetzung von Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen umgesetzt. Hierdurch wird die Möglichkeit geschaffen, die Anordnung (nur Vollstreckungssperre) flexibel und situationsangemessen einzusetzen. Ab dem 17.7.2022 wird es mit dem in Krafttreten der §§ 84-88 zudem möglich sein, durch die öffentliche Bekanntmachung einer allgemein gefassten Vollstreckungssperre sämtliche von den Regelungen des StaRUGs betroffene Gläubiger zu erfassen. Eine derartige Anordnung kann ähnlich allgemein gefasst werden, wie die Anordnungen nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 InsO im vorläufigen Insolvenz- oder Eigenverwaltungsverfahren. Allerdings ist in einer derartig allgemein gefassten Anordnung klarzustellen, dass Forderungen aus den unter § 4 genannten Rechtsverhältnissen von der Anordnung nicht betroffen sind. Um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden, muss sich aus der Anordnung für die befassten staatlichen Vollstreckungsorgane und den betroffenen Drittschuldnen klar ergeben, ob die vollstreckte Forderung von der Vollstreckungssperre erfasst ist oder nicht.
Wie bereits nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Anordnung von Verwertungssperren im vorläufigen Insolvenzverfahren sind formularmäßige Pauschalanordnungen wegen fehlender Bestimmtheit unwirksam, da die erforderliche Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen nicht möglich ist (BGH ZInsO 2010, S. 136 Rn. 19; so auch FK/Schmerbach § 21 Rn. S. 233, 244; Kübler/Prütting/Bork/Pape § 21 Rn. 40; MüKo-InsO/Haarmeyer § 21 Rn. 99; Kirchhof, ZInsO 2007, S. 227, 231). Der Bundesgerichtshof hält für das vorläufige Insolvenzverfahren allerdings die zusammenfassende Bezeichnung von bestimmten Gläubiger und Arten von Gegenständen für noch zulässig (BGH ZInsO 2010, S. 136 Rn. 19). Soweit die betroffenen Gläubiger und das jeweilige Aus- oder Absonderungsgut hinreichend bestimmt sind, das Restrukturierungsgericht daher die Erforderlichkeit der beantragten Anordnung für die Erreichung des Restrukturierungsziels prüfen kann, ist dieser Auffassung auch für die Stabilisierungsanordnung nach dem StaRUG zuzustimmen.
Zur Umsetzung der Erwägungen unter Abs. 32 S. 2 und Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 der EU Richtlinie 2019/1023 (ABl. EU L 172/18 v. 26.6.2019) kann die Stabilisierungsanordnung auch auf Rechte aus gruppeninternen Drittsicherheiten im Sinne von § 2 Abs. 4 erstreckt werden. Von der Anordnung kann daher auch eine gruppenintern von einem Tochterunternehmen übernommene Haftung oder eine sonstige, von einem solchen Unternehmen gestellte Drittsicherheit, erfasst werden.
Als Dritte sind gemäß § 2 Abs. 4 verbundene Unternehmen im Sinne des § 15 des AktG erfasst, die als Bürge, Mitschuldner oder anderweitig Haftung übernommen oder Sicherheiten für die Verbindlichkeiten des Schuldners gewährt haben.
Mit dieser Regelung soll einerseits eine Gefährdung des Restrukturierungsvorhabens selbst durch direkte Eingriffe in die Rechtsbeziehung der Schuldnerin zu einem Tochterunternehmen verhindert und andererseits Gruppensanierungen erleichtert und Folgeinsolvenzen von Gruppengesellschaften verhindert werden. (BT-Drs. 19/24181, S. 199). Insoweit wurde auch der Regelungsgehalt des § 217 Abs. 2 InsO parallel dahingehend erweitert, dass in einem Insolvenzplan die Rechte von Inhabern von Insolvenzforderungen, die diesen aus einer Drittsicherheit zustehen, gestaltet werden können, um Gruppensanierungen zu erleichtern und Folgeinsolvenzen von Gruppengesellschaften zu verhindern (BT-Drs. 19/24181, S. 199).
Soweit das Restrukturierungsgericht den Antrag auf die begehrte Stabilisierungsanordnung mit Beschluss (§ 51 Abs. 5 S. 1) ablehnt, steht dem Schuldner gemäß § 51 Abs. 5 S. 2 die sofortige Beschwerde zu.
Die von der Stabilisierungsanordnung betroffenen Gläubiger können gemäß § 59 Abs. 2 einen Antrag auf Aufhebung der Stabilisierungsanordnung stellen. Hierbei ist das Vorliegen des Beendigungsgrunds glaubhaft zu machen.
Verstößt ein Gläubiger gegen die Vollstreckungssperre, steht dem Schuldner der Rechtsbehelf der Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO zu. Aufgrund der Sachnähe ist das Restrukturierungsgericht zuständig.