§ 86Öffentliche Bekanntmachung; Verordnungsermächtigung

(1) Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt durch eine zentrale und länderübergreifende Veröffentlichung im Internet; diese kann auszugsweise geschehen. Die Bekanntmachung gilt als bewirkt, sobald nach dem Tag der Veröffentlichung zwei weitere Tage verstrichen sind.

(2) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten der zentralen und länderübergreifenden Veröffentlichung im Internet zu regeln. Dabei sind insbesondere Löschungsfristen vorzusehen sowie Vorschriften, die sicherstellen, dass die Veröffentlichungen

  1. unversehrt, vollständig, sachlich richtig und aktuell bleiben,
  2. jederzeit ihrem Ursprung nach zugeordnet werden können.

(3) Die öffentliche Bekanntmachung genügt zum Nachweis der Zustellung an alle Beteiligten, auch wenn dieses Gesetz neben ihr eine besondere Zustellung vorschreibt.


(1) Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt durch eine zentrale und länderübergreifende Veröffentlichung im Internet; diese kann auszugsweise geschehen. Die Bekanntmachung gilt als bewirkt, sobald nach dem Tag der Veröffentlichung zwei weitere Tage verstrichen sind.

(2) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten der zentralen und länderübergreifenden Veröffentlichung im Internet zu regeln. Dabei sind insbesondere Löschungsfristen vorzusehen sowie Vorschriften, die sicherstellen, dass die Veröffentlichungen

  1. unversehrt, vollständig, sachlich richtig und aktuell bleiben,
  2. jederzeit ihrem Ursprung nach zugeordnet werden können.

(3) Die öffentliche Bekanntmachung genügt zum Nachweis der Zustellung an alle Beteiligten, auch wenn dieses Gesetz neben ihr eine besondere Zustellung vorschreibt.

 

Übersicht

  1. Veröffentlichungsplattform (Abs. 1)
  2. Verordnungsermächtigung (Abs. 2)
  3. Nachweis der Zustellung (Abs. 3)

 

1

§ 86 Abs. S. 1 regelt die Art und Weise der öffentlichen Bekanntmachung, wenn der Schuldner diese nach Maßgabe des § 84 beantragt hat. Eine vergleichbare Regelung findet sich für das Insolvenzverfahren in § 9 Abs. 1 InsO. Die öffentliche Bekanntgabe ist Voraussetzung für ein öffentliches Restrukturierungsverfahren im Sinne von Art. 1 EuInsVO und die Anwendbarkeit der EuInsVO auf die öffentliche Restrukturierungssache. § 86 Abs. 1 S. 1 soll sicherstellen, dass die Veröffentlichung auf einer zentralen und länderübergreifenden Plattform vorgenommen wird, bei der davon ausgegangen werden kann, dass sie den betroffenen Rechtskreisen bekannt ist und von diesen auch genutzt wird (StaRUG-RegE, BR-Drucks 619/20, S. 207). Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt ‑ wie im Insolvenzverfahren ‑ über die bundesweite Plattform unter www.insolvenzbekanntmachungen.de. Zurecht wird kritisch gesehen, dass der Gesetzgeber sich für keine autonome, vom Insolvenzportal losgelöste Plattform entschieden hat. Die Veröffentlichung unter www.insolvenzbekanntmachungen.de belastet das öffentliche Restrukturierungsverfahren unnötig mit dem Stigma der Insolvenz (Morgen/Abel/Herbst, StaRUG, § 86 Rn. 6). Es ist gerade keine Insolvenz-, sondern eine Restrukturierungsbekanntmachung.

§ 86 Abs. 1 S. 2 enthält eine Wirksamkeitsfiktion. Die Bekanntmachung gilt als bewirkt, sobald nach dem Tag der Veröffentlichung zwei weitere Tage verstrichen sind. Da die Bewirkungsfrist auf das Ereignis der Veröffentlichung abstellt, ist für den Beginn der Frist nach § 38 S. 1 i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO die Regelung in § 187 Abs. 1 BGB maßgebend und für die Bestimmung des Fristendes die Regelung in § 188 Abs. 1 BGB (zu § 9 Abs. 1 S. 3 InsO: BGH NZI 2014, S. 22). Mit dem Ablauf des zweiten auf die Veröffentlichung folgenden Tages ist die Bekanntmachung bewirkt.

Ist der zweite Tag nach dem Tag der Veröffentlichung ein Samstag, Sonntag oder ein allgemeiner Feiertag, so wird die Bekanntmachung nach § 38 S. 1 i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO erst mit Ablauf des nächsten Werktages wirksam.

Praktisch sind dem Tag der Veröffentlichung zwei Tage hinzu zu addieren. Ist die Veröffentlichung im Internet beispielsweise an dem 15. eines Monats erfolgt, gilt sie mit Ablauf des 17. dieses Monats als bewirkt. Ist der 17. ein Samstag, Sonntag oder ein allgemeiner Feiertag, so wird die Bekanntmachung erst mit Ablauf des nächsten Werktages wirksam.

2

§ 86 Abs. 2 ermächtigt das Bundesjustizministerium durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates, die Einzelheiten der zentralen und länderübergreifenden Veröffentlichung im Internet zu regeln. Diese Regelung entspricht § 9 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 InsO. Die Verordnungsermächtigung dient der Entlastung des Gesetzestextes von den technischen Einzelheiten der öffentlichen Bekanntmachung (StaRUG-RegE, BR-Drucks 619/20, S. 207). Von dieser Verordnungsermächtigung hat das BMJ (damals noch BMJV) mit Art. 7 (Änderung der Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet) SanInsFoG Gebrauch gemacht. Gem. § 1 Abs. 1 S. 3 InsbekV i.d.F. ab dem 17.07.2022 gilt für öffentliche Bekanntmachungen in Restrukturierungssachen im Internet die InsBekV entsprechend, soweit in den nachfolgenden Vorschriften der InsBekV nichts Abweichendes geregelt ist. Die einzige Sondervorschrift für das StaRUG ist innerhalb der Löschungsfristen in § 3 Abs. 4 InsBekV id.F. ab dem 17.7.2022 geregelt (hierzu § 86).

Anders als die Veröffentlichungsplattform wurde die Überschrift des Gesetzes an die Geltung für öffentliche Restrukturierungssachen angepasst. Die Verordnung heißt ab dem 17.7.2022 „Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren und Restrukturierungssachen im Internet“, was die gleichbleibende Abkürzung „InsBekV“ indes verbirgt.

In der InsBekV werden geregelt: Datensicherheit, Schutz vor Missbrauch (§ 2 InsBekV), Löschungsfristen (§ 3 InsBekV) und ein unentgeltliches Einsichtsrecht (§ 4).

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 InsBekV müssen das Restrukturierungsgericht und der Restrukturierungsbeauftragte durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass die Daten bei der elektronischen Übermittlung an die für die Veröffentlichung zuständige Stelle mindestens fortgeschritten elektronisch signiert werden.

§ 3 Abs. 4 InsBekV sieht für im Internet veröffentlichte Daten aus einer Restrukturierungssache grundsätzlich eine Löschungsfrist von spätestens sechs Monaten nach der Anordnung des jeweiligen Stabilisierungs- oder Restrukturierungsinstruments vor. Bei Stabilisierungsanordnungen (§§ 49 ff.) hat eine Löschung nach dem Ende ihrer Wirkungsdauer (vgl. § 53) zu erfolgen.

Das Restrukturierungsgericht hat nach § 4 InsBekV sicherzustellen, dass jedermann von den öffentlichen Bekanntmachungen in angemessenem Umfang unentgeltlich Kenntnis nehmen kann. Diese Norm hat den Zweck, auch Menschen ohne Internetzugang eine Kenntnisnahme von öffentlichen Bekanntmachungen zu ermöglichen (Morgen/Abel/Herbst, StaRUG, § 86 Rn. 19).

3

Nach § 86 Abs. 3 genügt die öffentliche Bekanntmachung zum Nachweis der Zustellung an alle Beteiligten, selbst wenn nach dem StaRUG eine besondere Zustellung vorgeschrieben wird. Die Zustellung an alle Beteiligten wird mit der öffentlichen Bekanntmachung, gem. § 86 Abs. 1 S. 2 zwei Tage nach der Veröffentlichung fingiert.

Die Zustellungsfiktion nach § 86 Abs. 3 erfasst alle sog. Pflichtinformationen nach § 84 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Art. 24 Abs. 2 EuInsVO (hierzu § 84) sowie die bekanntzumachenden Angaben nach § 85 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 (hierzu § 85).

In der Gesetzesbegründung heißt es zwar, dass § 86 Abs. 3 der Verfahrensvereinfachung dient, indem eine Einzelzustellung an eine unter Umständen große Zahl von Beteiligten entbehrlich gemacht wird (StaRUG-RegE, BR-Drucks 619/20, S. 208). Eine Entbehrlichkeit der Einzelzustellung ergibt sich jedoch weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus dem systematischen Vergleich mit den ausdrücklichen Entbehrlichkeitsbestimmungen in § 51 Abs. 4 S. 2 und § 85 Abs. 2 S. 1 (BeckOK-StaRUG/Kramer, § 41 Rn. 6). Die öffentliche Bekanntmachung entbindet das Gericht also nicht von der Verpflichtung, Einzelzustellungen vorzunehmen (BeckOK-StaRUG/Kramer, § 41 Rn. 6; zu § 9 InsO: Uhlenbruck/Pape, § 9 Rn. 5).

Eine unrichtige öffentliche Bekanntmachung löst die Zustellungsfiktion des § 86 Abs. 3 unter Umständen nicht aus. Maßgeblich ist, ob der effektive Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG unverhältnismäßig eingeschränkt wird (Morgen/Abel/Herbst, StaRUG, § 86 Rn. 15). Der BGH hat bei der Parallelnorm § 9 Abs. 2 InsO entschieden, dass die Zustellungswirkung nicht ausgelöst wird, wenn statt der gesonderten Veröffentlichung des Vergütungsbeschlusses lediglich die Bekanntmachung eines Beschlusses erfolgt, in dem die Aufhebung des Insolvenzverfahrens angekündigt und auf den Erlass eines Vergütungsbeschlusses hingewiesen wird. (BGH NZI 2011, S. 978).Die Zustellungswirkung der öffentlichen Bekanntmachung ist insbesondere relevant für den Lauf der Beschwerdefrist nach § 40 Abs. 2. Diese Frist berechnet sich nach §§ 187 Abs. 2, 188 Abs. 2 Alt. 2 BGB (zur InsO: BGH NZI 2014, S. 22). Für den Beginn der Beschwerdefrist gemäß § 40 Abs. 2 ist kein Ereignis maßgebend, dass in den Lauf eines Tages fällt, sondern der Ablauf der Frist des § 86 Abs. 1 S. 2, also der Zeitpunkt des Ablaufs von zwei Tagen nach dem Tag der Veröffentlichung. Demnach ist § 187 Abs. 2 BGB einschlägig. Der Lauf der Frist berechnet sich demgemäß nach § 188 Abs. 2 Alt. 2 BGB. Sie endet mit Ablauf desjenigen Tages, welcher dem Tag vorangeht, der durch seine Benennung dem Anfangstag der Frist entspricht.

Nach § 38 S. 1 i.V.m. § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO gilt eine Beschwerdefrist von zwei Wochen.

Wurde die Bekanntmachung beispielsweise am 1. eines Monats im Sinne des § 86 Abs. 1 S. 1 bewirkt (nicht veröffentlicht!), endet die Frist mit Ablauf des 14. des Monats.

1

§ 86 regelt die öffentliche Bekanntmachung, wenn der Schuldner diese nach Maßgabe des § 84 beantragt hat. Ziel ist, dass die öffentliche Bekanntmachung auf einer zentralen und länderübergreifenden Plattform stattfindet, bei der davon ausgegangen werden kann, dass sie den betroffenen Rechtskreisen bekannt ist und von diesen auch genutzt wird (BT-Drucks. 19/24181, S. 179).

2

Gemäß § 86 Abs. 1 erfolgt die öffentliche Bekanntmachung durch eine zentrale und länderübergreifende Veröffentlichung im Internet. Dies entspricht § 9 Abs. 1 InsO, sodass auf die diesbezüglichen Kommentierungen verwiesen wird.

3

§ 86 Abs. 2 enthält eine Verordnungsermächtigung für das Bundesjustizministerium zur Regelung der Einzelheiten der zentralen und länderübergreifenden Veröffentlichung im Internet. Diese Regelung entspricht § 9 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 InsO.

4

Nach § 86 Abs. 3 genügt die öffentliche Bekanntmachung zum Nachweis der Zustellung an alle Beteiligten, auch wenn nach dem StaRUG eine besondere Zustellung vorgeschrieben wird. Dies macht eine Einzelzustellung an eine unter Umständen große Zahl von Beteiligten entbehrlich und dient daher der Verfahrensvereinfachung (BT-Drucksache 19/24181, S. 180).

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