Die Auswahl der Planbetroffenen hat nach sachgerechten Kriterien zu erfolgen, die im darstellenden Teil des Plans anzugeben und zu erläutern sind. Die Auswahl ist sachgerecht, wenn
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die nicht einbezogenen Forderungen auch in einem Insolvenzverfahren voraussichtlich vollständig erfüllt würden,
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die in der Auswahl angelegte Differenzierung nach der Art der zu bewältigenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners und den Umständen angemessen erscheint, insbesondere, wenn ausschließlich Finanzverbindlichkeiten und die zu deren Sicherung bestellten Sicherheiten gestaltet werden oder die Forderungen von Kleingläubigern, insbesondere Verbrauchern, Klein- und Kleinst-unternehmen oder mittleren Unternehmen, unberührt bleiben oder
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mit Ausnahme der in § 4 genannten Forderungen sämtliche Forderungen einbezogen werden.
Übersicht
Nach § 7 Abs. 1 ist Planbetroffener ein Inhaber einer Restrukturierungsforderung, einer Absonderungsanwartschaft, ein Rechteinhaber aus gruppeninternen Drittsicherheiten und der Anteils- oder Mitgliedschaftsberechtigte. Ein Arbeitnehmer mit einer nach § 4 S. 1 Nr. 1 nicht zu berücksichtigenden Arbeitnehmerforderung kann gleichzeitig jedoch, mit einer anderen Forderung, Finanzgläubiger sein und wäre somit einzubeziehen. Es kann also sein, dass eine natürliche oder juristische Person mit einer Forderung nicht Planbetroffener ist, mit einer anderen Forderung jedoch schon.
§ 8 bestimmt Kriterien, wonach in die Rechte Planbetroffener und damit auch in Restrukturierungsforderungen eingegriffen werden darf (Pannen/Riedemann/Smid/Smid § 8 Rn 6.). Derjenige, der Inhaber einer Restrukturierungsforderung ist und in dessen Rechte eingriffen wird, wird damit Planbetroffener (vgl. Begr. RegE BT-Drs. 19/24181, S. 117). Der Restrukturierungsplan greift lediglich in die Forderung / Rechte des im Plan bezeichneten Planbetroffenen ein. In Rechte Dritter, auch wenn diese gleichartig sind, greift der Restrukturierungsplan nicht ein. Hier liegt also ein grundliegender Unterschied zum Insolvenzplan, denn dort unterliegen grundsätzlich alle Insolvenzgläubiger den Wirkungen des Insolvenzplans (MüKo-InsO/Madaus, § 254b Rn. 1). § 8 bestimmt die Sachgerechtigkeit zum Auswahlkriterium und definiert, wann eine sachgerechte Auswahl vorliegt. Neben ihrer Funktion als Prüfungskriterium ist die Sachgerechtigkeit gleichzeitig auch Prüfungsmaßstab.
Nicht in den Restrukturierungsplan einbezogene Rechte bzw. Forderungen unterfallen nicht den Planregelungen und sind daher im normalen Geschäftsgang zu befriedigen. Es bedarf somit einer aktiven Einbeziehung der Forderung, des Rechtes oder der Absonderungsanwartschaft durch Auswahl.
Neben den im Folgenden darzustellenden gesetzlichen Anforderungen wird der Planersteller im Wesentlichen psychologische Aspekte zu berücksichtigen haben. Denn selbst wenn eine Auswahl formal den gesetzlichen Anforderungen entspricht, also sachgerecht ist, heißt dies nicht automatisch, dass sie von den Planbetroffenen, deren zustimmende Mehrheit errungen werden muss, Akzeptanz findet (zum Mehrheitserfordernis Braun-StaRUG/Böhm, § 8 Rn. 13).
Die Auswahl selbst und deren Kriterien, mithin die Beweggründe, sind im Rahmen des darstellenden Teils des Plans anzugeben und zu erläutern. Hierunter wird zu verstehen sein, dass zum einen eine den allgemeinen Grundsätzen der Bestimmtheit entsprechende Bezeichnung der Planbetroffenen erfolgt (zur Bestimmtheit der Forderung im Rahmen der Tabellenanmeldung Smid: DZWIR 2012, S. 167-281; hier wird der gleiche Maßstab anzulegen sein), zum anderen aber auch klar und verständlich mit Abgrenzungskriterien und Motivationslagen dargestellt werden, so dass im Ergebnis die Ermessensentscheidung nachvollzogen und geprüft werden kann. Die Aufzählung der sachgerechten Gründe in § 8 S. 2 ist nicht abschließend (BeckOK StaRUG/Fridgen § 8 Rn. 13, 46; Pannen/Riedemann/Smid/Smid § 8 Rn. 11; BT-Drs. 19/24181, 117).
Eine Auswahl ist immer dann sachgerecht, wenn mindestens eine der Fallgruppen des § 8 S. 2 Nr. 1-3 vorliegt. Dass nicht alle drei Fallgruppen kummulativ vorliegen müssen, ergibt sich im Rahmen der Auslegung. Zwar ist der Wortlaut hier uneindeutig, doch ergibt sich aus der Systematik der Norm, dass eine Anwendung von Nr. 2 und Nr. 3 nicht zwingende Voraussetzung ist, da es nach Nr. 2 sachgerecht wäre, Kleingläubiger nicht zu berühren, nach Nr. 3 diese jedoch einbezogen werden können (vgl. Rn. 15).
Entsprechend des § 8 Nr. 1 ist die Auswahl der Planbetroffenen stets und ohne weiteres sachgerecht, wenn die nicht einbezogenen Forderungen auch in einem Insolvenzverfahren voraussichtlich vollständig erfüllt würden (Flöther/Tasma, § 8 Rn. 7; BT-Drs. 19/24181, 118). Ist ein Gläubiger daher mit seiner Einbeziehung in den Restrukturierungsplan nicht einverstanden, muss dieser lediglich darlegen, dass er im Rahmen eines Insolvenzverfahrens durch Absonderungsrechte oder Aussonderungsrechte voll befriedigt worden wäre wäre (BeckOK StaRUG/Fridgen, § 8 Rn. 20-21). Dies betrifft einer Prognoserechnung des Planerstellers, da der Gesetzestext darauf abstellt, dass die Forderung im Insolvenzverfahren voraussichtlich erfüllt würde (Flöther/Tasma, § 8 Rn. 9, 10).
Im Rahmen des Restrukturierungsverfahrens legt der Gesetzgeber eine wirtschaftliche Betrachtung an (vgl. Begr. RegE BT-Drs. 19/24181, 85), sodass nicht auf die formale Erfüllung der bestimmten Forderung, sondern auf den dahinter stehenden wirtschaftlichen Anspruch abzustellen ist. Auch ist auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise abzustellen, wenn bei Einbeziehung eines Rechtsverhältnisses faktisch eine doppelte Stimmgewichtung, wie bspw. bei Einbeziehung einer durch eine Bürgschaft abgesicherte Forderung und der Bürgschaft selbst, droht (AG Hamburg, 61c RES 1/21 Rn. 17). Sachgerecht erscheint es ebenso nicht auf ein Liquidationsverfahren abzustellen, sondern auf ein alternatives Sanierungsverfahren in der Insolvenz (z.B. Eigenverwaltung mit Insolvenzplan), da hier eine größere Sachnähe zum Restrukturierungsverfahren besteht und ein Restrukturierungsplan nur erstellt werden kann, wenn keine Insolvenzantragspflicht vorliegt (BeckOK StaRUG/Fridgen, § 8 Rn. 25). Lediglich § 18 InsO normiert ein solches Antragsrecht (BeckOK/Wolfer, § 18 Rn. 1). Das Antragsrecht aus § 18 InsO soll grds. Anreize im Hinblick auf die Möglichkeit eines Eigenverwaltungs- oder Schutzschirmverfahrens schaffen (MüKoInsO/Drukarczyk, § 18 Rn. 3). Legt man diese Maßstäbe zu Grunde, dürften aussonderungsberechtigte Gläubiger, deren Gut z.B. für die Betriebsfortführung zwingend notwendig ist, auch im Verfahren der Betriebsfortführung voll befriedigt werden (Uhlenbruck/Vallender, § 21 Rn. 38j, 38k), obgleich es klassische Insolvenzgläubiger sind; ebenso absonderungsberechtigte Gläubiger mit Blick auf § 282 Abs. 1 InsO.
Wäre im Insolvenzverfahren ein starker vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt worden, würde aufgrund der Qualifizierung von ihm begründeter Ansprüche als Masseverbindlichkeiten auch dort - jedenfalls, wenn nicht die Masseunzulänglichkeit droht - kein Ausfall zu erwarten sein.
Ist ein Insolvenzantragsverfahren ohne Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zu erwarten, wird danach zu differenzieren sein, ob Einzelermächtigungen ergehen würden oder ob § 55 Abs. 4 InsO einschlägig ist. Ebenso droht einem Schlüssellieferanten, der auch unter dem Aspekt der Anfechtbarkeit mit Drohung des Lieferstopps (Rein, NJW-Spezial 2011, S. 213) nur weiterliefert, nach Zahlung seiner Altforderungen, kein Ausfall da zunächst eine vollständige Befriedigung zu erwarten steht und die Anfechtung erst zeitlich nachgelagert erfolgen würde.
Nach Nr. 2 liegt eine sachgerechte Auswahl der Planbetroffenen vor, wenn sie für die Art der zu bewältigenden Schwierigkeiten des Schuldners und den Umständen nach als angemessen erscheint.
Angemessenheit ist hier im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu versehen, d.h. hier wird auf den, durch den einzelnen Planbetroffenen, beitragbaren Anteil zum Restrukturierungserfolg abzustellen sein (Pannen/Riedemann/Smid/Smid, § 8 Rn. 14; Flöther/Tasma, § 8 Rn. 12; vgl. Begr. RegE BT-Drs. 19/24181, 118). Maßstab für diese Prüfung sind die im konkreten Verfahren geplanten Restrukturierungsmaßnahmen, die ergriffen werden müssen, um den Restrukturierungsplan umsetzen zu können (vgl. Begr. RegE BT-Drs. 19/24181, 118). Darüber hinaus sind Konstellationen denkbar, in denen es angemessen ist, lediglich Vertragspartner in den Restrukturierungsplan einzubeziehen, die nicht betriebsnotwendige Lieferanten sind, falls die Lieferantenbeziehung nicht weiter belastbar ist und eine Fortführung des Unternehmens ohne diese Lieferanten nicht oder nur schwer möglich ist (BeckOK/Fridgen, § 8 Rn. 38).
Nr. 2 nennt hier als Beispiel die Beschränkung auf die Gestaltung von Finanzverbindlichkeiten und deren Sicherheiten. Damit handelt es sich i.d.R. um gewerbliche und somit professionelle Gläubiger mit Fachkenntnissen oder der wirtschaftlichen Position sich solche zu verschaffen (Braun-StaRUG/Böhm, § 8 Rn. 8). Daher sind die weniger schützenswert als Verbraucher, Kleingläubiger und Kleine- und Mittlere Unternehmen (im Folgenden: KMU) (zum Schutzbedürfnis von Verbrauchern, Kleingläubigern und KMU: vgl. Begr. RegE BT-Drs. 19/24181, S. 118).
Dem trägt Halbsatz 2 Rechnung, indem das Gesetz es als angemessen qualifiziert, wenn Forderungen von Kleingläubigern, Verbrauchern und KMU unberührt bleiben. Zu beachten ist jedoch, dass ein genereller Ausschluss von Kleingläubigern, Verbrauchern und KMU damit nicht verbunden ist. Es kann sich durchaus als geboten herausstellen, die entsprechend der gesetzlichen Grundannahme zunächst ausgeschlossenen Forderungen doch in den Kreis der Planbetroffenen einzuschließen (BeckOK StaRUG/Fridgen, § 8 Rn. 42), insbesondere wenn der restrukturierende Schuldner selbst ein KMU ist und seine Gläubigerschaft aus eben solchen besteht (vgl. Begr. RegE BT-Drs. 19/24181, 118). Auch sind Konstellationen denkbar, in denen ein nicht durch Finanzgläubiger finanziertes Unternehmen, z.B. der Touristikbranche, lediglich unzählige Kleingläubiger hat. Wären diese generell auszuschließen, wäre für solche Unternehmen der Restrukturierungsrahmen faktisch nicht eröffnet.
Sachgerecht ist es nach Nr. 3 immer, sämtliche Gläubiger, also auch die KMU einzubeziehen, mit Ausnahme der Gläubiger, in deren Rechte nach § 4 nicht eingegriffen werden kann (Pannen/Riedemann/Smid/Smid, § 8 Rn. 12). Auch wenn der praktische Anwendungsbereich des Gesetzes eher bei Großunternehmen liegt, die in der Regel als juristische Person organisiert sind (Smid, NZI-Beilage 2021, 64), so ist er auch für natürliche Personen oder KMU (Smid, NZI-Beilage 2021, S. 64) eröffnet. Daher sind von der Restrukturierung insbesondere auch Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung oder Geldstrafen, der fehlende Befreiungsmöglichkeit schon aus § 296 InsO bekannt ist, ausgeschlossen. Darüber hinaus werden, anders als in der Insolvenzordnung (Zur Privilegierung der Arbeitnehmerforderungen: vgl. Begr. RegE BT-Drs. 19/24181, 114), auch Arbeitnehmerforderungen privilegiert.
Weder gegen die Qualifikation einer bestimmten Forderung als Restrukturierungsforderung noch gegen die damit verbundene Planbetroffenheit des Gläubigers besteht für sich ein Beschwerderecht und damit kein Rechtsschutz. Auch führt die rechtswidrige Einbeziehung nicht zu einer gerichtlichen Aufhebung des Restrukturierungsverfahrens (Braun/Böhm, § 8 Rn. 14). Dem Betroffenen verbleibt lediglich die Möglichkeit im Rahmen der Planabstimmung aufgrund der Rechtswidrigkeit der Einbeziehung seiner Forderung für ein Abstimmungsverhalten zu sorgen, welches den Plan scheitern lässt. Denkbar ist auch die die Herbeiführung eines Versagungsgrundes nach § 63 Abs, 1 Nr. 2 (Flöther/Tasma, § 8 Rn 24). Wird ein Auswahlfehler seitens des prüfenden Gerichts erkannt, kann durch das Restrukturierungsgericht im Rahmen der materiellen Verfahrensleitung ein Hinweis zur Nachbesserung ergehen (AG Hamburg, 61c RES 1/21; aA HambKommRes/Montag, §§ 47, 48 Rn. 27: richterlicher Hinweis nur bei Vorprüfung). Bleibt ein Hinweis im Rahmen einer Vorprüfung oder der materiellen Verfahrensleitung aus, wird das Verfahren nach § 33 Abs. 2 Nr. 2 aufzuheben sein (BeckOK StaRUG/Fridgen, § 8 Rn. 50).
Wird die Forderung wirksam (wenn auch rechtswidrig) einbezogen und ist der Plan erfolgreich, dann erstrecken sich die im Plan geregelten Folgen auf diese, anders als bei der Zweckwidrigkeit (zum Insolvenzplan: BGH NJW-RR 2005, S. 842; Flöther/Tasma, § 8 Rn 25). Nach gerichtlicher Planbestätigung ist gegen die Planbetroffenenauswahl mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nach §§ 66, 40 vorzugehen (Flöther/Tasma, § 8 Rn 25).